Das letzte Gespräch

„Sehr geehrter Herr Frick!

Beiliegend ein 15-seitiges Manuskript, das ich Ihnen bzw. der PR-Redaktion zur Begutachtung vorlegen möchte …“

So beginnt ein Brief, den ich am 21. Jänner 1996 an Klaus Frick, Chefredakteur bei Pabel-Moewig, abgeschickt hatte. Ich entschuldigte mich bei ihm für die Schlieren, die der Drucker meines damaligen Arbeitgebers verursacht hatte, und ich führte pedantisch an, daß der Text mit dem Titel „Das letzte Gespräch“ 15 Seiten, 31.222 Zeichen bei 60 Zeichen/Seite hatte (na, da hab ich ganz schönen Blödsinn geschrieben) und insgesamt 555 Zeilen lang war.

Bei dieser Kurzgeschichte handelt sich’s tatsächlich um die erste Story, an der ich mich jemals versucht hatte (mit Ausnahme von Schulaufsätzen, dazu ein anderes Mal vielleicht mehr). Ich muß den Text Ende 1995 geschrieben haben, im zarten Alter von 32 Jahren.

Warum nicht früher? Heißt es nicht, daß Schreiben weniger Beruf denn Berufung ist und Literaten herkömmlicherweise schon im frühesten Kindesalter ihre Ideen zu Papier bringen?

Ich kenne viele Kollegen, denen es so ergangen ist; eigentlich alle, mit denen ich jemals zu tun hatte. Bei mir war dem allerdings nicht so. Ich hatte mich nie fürs Schreiben interessiert. Meine Geschichten spielten sich meist im Kopf ab, – aber da ging’s mächtig zur Sache. Ich errichtete bei der Fahrt zur Arbeit ganze Sternenreiche, vernichtete sie bei der Rückkehr nach Hause und vergaß diese Ideen gleich wieder. Niemals kam ich auch nur auf den Gedanken, meine Einfälle niederzuschreiben, es interessierte mich auch nicht.

Bis ich eines Tages einen elendslangweiligen PERRY RHODAN-Roman las und sich dieser eine Gedanke manifestierte: „Das kann ich besser! Wirklich!“

Wahrscheinlich dauerte es noch einige Wochen oder Monate, bis ich mich tatsächlich an den PC setzte und ernst machte, ich bin ja nicht gerade der flotteste. Ich schrieb eine Endzeit-Kurzgeschichte, die im PERRY RHODAN-Universum spielte und die die letzte Unterhaltung zwischen Perry himself und Reginald Bull zum Inhalt hatte. In einem Format und in einer Länge, die keinerlei Chance auf Veröffentlichung haben würde, das war mir klar. Aber ich wollte den Burschen in Rastatt zeigen, daß ich’s besser könnte, als so mancher Profi-Autor.

(Eine Anmerkung aus heutiger Sicht: Ha. Ha! HA! Es kostete mich viele Jahre, bis ich die Mechanismen des Schreibberufs lernte und verstand, was alles zum Profitum dazugehörte.)

Jedenfalls bekam ich tatsächlich eine Antwort von Klaus Frick, nur wenige Wochen später, datiert mit 28. Feber 1996. Er bescheinigte mir, daß die Geschichte inhaltlich sehr interessant sei, aber „stilistisch müßte noch sehr viel daran gemacht werden.“ Er empfahl mir, sie gründlich zu überarbeiten und sie dann einem der besseren Fanzines anzubieten.

Ich kann mich an meine – gelinde – Enttäuschung erinnern. Wahrscheinlich hatte ich tatsächlich geglaubt, daß man mich augenblicklich mit Kußhand ins PERRY-Autorenteam übernehmen würde.

Naja, dieser Plan hatte schon mal nicht geklappt, also würde ich mich doch auf den mühseligeren Weg begeben müssen. Ich befolgte Klausens Vorschlag und schrieb einige Fanzine-Macher an, um dann die ganze Angelegenheit mit dem Schreiben wieder zu vergessen. Ich erhielt einige Absagen, die meisten Fanzine-Redakteure fanden es nicht mal der Mühe Wert, eine Antwort zu verfassen. Achselzuckend nahm ich’s zur Kenntnis. Das mit dem Schreiben war halt eine Spinnerei gewesen, eine lustige Abwechslung von der Arbeit, und damit hatte sich‘s.

Ich ging weiter meinem normalen Brotberuf nach, um irgendwann im Frühjahr 1997 ein etwas dickeres Kuvert zugeschickt zu bekommen. Es handelte sich um ein dubioses A5-Heft mit Klebebindung, das sich „Sternenfeuer“ nannte. Irgendwas rührte sich da in meinem Hinterkopf, und als ich das gute Ding durchblätterte, fand ich doch glatt meine Kurzgeschichte, mein Erstlingswerk, illustriert von mehreren Künstlern.

Du meine Güte! Ich durfte mich ab nun„Autor“ nennen! Ich hatte veröffentlicht! Heerscharen von Lesern würden sich um meine Geschichten reißen, die Druckauflage des „Sternenfeuer“ lag bei 150 Stück! Ich war ein Star!

Dieses Gefühl werde ich wohl niemals mehr wieder vergessen. Es blieb genauso hängen wie die Erinnerung an den Stolz, den ich fühlte, als ich mein erstes eigenes Heftmanuskript in der Hand hielt oder als ich mein erstes PERRY RHODAN-Exposé umsetzen durfte. Das sind Meilensteine, die man einfach nicht vergißt, egal, wie lange man sich auch mit dem Schreiben beschäftigt.

In der Redaktion des „Sternenfeuer“ saß übrigens ein gewisser Klaus Bollhöfener, in der Ausgabe Nummer 5 findet sich unter anderem eine Kurzgeschichte von Götz Roderer (heute ATLAN-Expo-Autor), ein Interview mit dem damals Noch-nicht-PERRY-Autor Rainer Castor – und auch eine Kurzgeschichte von Klaus Frick. Das Fanzine war also eine ziemlich gute Adresse, und vielleicht war das auch mit der Grund, daß ich bei den Leuten in Rastatt in Erinnerung blieb.

Diese Veröffentlichung gab mir den notwendigen Antrieb, den überaus wichtigen Stupser, es weiter mit dem Schreiben zu versuchen, und in den Jahren darauf entstanden einige Kurzgeschichten, die sowohl im PERRY RHODAN-Universum spielten, als auch frei gestaltete SF-Erzählungen darstellten. Darüber ein anderes Mal mehr.

Die Datei zu „Das letzte Gespräch“ ist leider verloren gegangen, auch der von Klaus Frick korrigierte Ausdruck existiert nicht mehr. Ich müßte den Text händisch abtippen, und dazu fehlt mir gerade die Zeit. Doch in meinem Fundus aus den späten Neunzigern kugeln andere, noch unveröffentlichte Storys herum, die ich sichten könnte. Es stellt sich die Frage, ob denn tatsächlich jemand dieses alte Zeugs lesen wollte?

Die Photos in gewohnt schlechter Qualität stammen übrigens von mir …

5 Kommentare Gib deinen ab

  1. Also, ein Erstling gehört gescheit dokumentiert. 31.222 Zeichen abtippen ist ja keine Lebensaufgabe. Vielleicht kennst Du jemanden, der einen Scanner und OCR-Software hat, das würde die Sache vereinfachen. Hau rein!

    1. mmthurner sagt:

      Das stimmt natürlich, auch wenn ich es hasse zuzugeben, daß jemand anderer recht hat. Ich werd mich um die „Dokumentation“ kümmern.

      1. G. Hauer sagt:

        Genau: Scan, OCR, KORREKTURLESEN, ibookstore. Noch 2, 3 andere Uraltgschichterln dazu, 0,99 und ich kauf’s.

      2. mmthurner sagt:

        Ah, da tun sich ungeahnte Geldquellen auf, der Reichtum lockt! 🙂 Im Ernst: Gebt mir ein bißl Zeit, ich muß diese Dinge mal durchdenken.

  2. Ich hab‘ da so ’nen Scanner mit OCR und gerade Urlaub …

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